Bikepacking Transalp Westalpen

5 Wochen mit dem MTB durch wilde Berge

Teil 1/2

Col d`Agnel, 2744 m
Col d`Agnel, 2744 m

Intro

Das wir gerne mit unseren Fahrrädern unterwegs sind ist wahrlich kein Geheimnis. Mit jeder Tour hat sich dabei immer mehr herauskristallisiert, was uns am Radfahren so fasziniert. Die größte Hürde war, rückblickend gesehen, meist die Zeit vor dem Start. Denn viele Gründe, um eine geplante Tour dann doch abzublasen, finden sich schnell, etwa die unzureichende Fitness, Zeitmangel oder eine fehlende Ausrüstung. Sobald dann alle Vorbereitungen und Planungen abgeschlossen waren und wir endlich unterwegs waren, stellte sich schnell ein Gefühl der Erleichterung und der Vorfreude ein. Was wird uns erwarten, schaffen wir die Tour? Beim Radfahren genießen wir die Freiheit im Sattel, dort hin zu fahren wo wir wollen, die Spontaneität unsere Route auch mal ändern zu können, neue Länder und Regionen zu entdecken und andere Kulturen zu erleben. Statt Lärm und Hektik schätzen wir die stillen Momente in der Natur, so dass wir immer öfter mit leichtem Gepäck und einem Bikepacking-Setup unterwegs sind. Durch den damit verbundenen Minimalismus fokussiert man sich auf das wirklich Nötige und lässt überflüssigen Ballast daheim. So eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten, auch Touren in Angriff zu nehmen, die man sich vorher vielleicht nicht zugetraut hätte.

Im Sommer 2022 hat alles gepasst, wir hatten ausreichend Zeit und sind eine MTB-Bikepacking Tour der Extraklasse gefahren. Unser Ziel war es die Westalpen der Länge nach auf einer möglichst schönen und abwechslungsreichen Strecke bis ans Mittelmeer zu durchqueren. Die Route sollte einerseits herausfordernd, trotzdem nicht zu extrem und überwiegend fahrbar sein, denn wir hatten trotzdem noch einiges an Gepäck dabei. Neben der unverzichtbaren Kleidung für regnerisches und kaltes Wetter in den Bergen hatten wir unsere komplette Camping-Ausrüstung samt Kocher eingepackt, um möglichst autark und flexibel zu sein. Um lange Transfers zu vermeiden, sollte die Tour möglichst nahe vor unserer Haustüre starten und auch enden. 

Los gings schließlich in Lindau am Bodensee und das Ziel war die Mittelmeerküste bei Imperia in Italien. Dazwischen lagen die Durchquerung der Schweiz, zahlreiche hohe Pässe entlang der italienisch-französischen Grenze, etliche Offroad-Abschnitte, ein paar fordernde Schiebepassagen und eine mächtige Bergkulisse. Die Route war geplant, die Räder waren bepackt und wir waren heiß auf den Start - und zugleich voller Respekt vor der Strecke. Was wir während unserer fast fünfwöchigen Tour alles erlebt haben, das seht und lest Ihr hier.

 

Doch Achtung, so episch wie dieser Artikel ist, so stark und unberechenbar kann beim Lesen plötzliches Fernweh einsetzen!

Viel Spass beim Lesen.

in den französischen Alpen
in den französischen Alpen

Die Strecke im Überblick

rot = gefahrene Strecke, blau = Transfer mit dem Zug, Gesamtstrecke: ca. 1600 km, 31.000 hm
Übersichtskarte der Route (Quelle: Komoot)

Legende:

rot = gefahrene Strecke, blau = Transfer mit dem Zug

Gesamtstrecke: ca. 1600 km, 31.000 hm

Die GPX-Tourdaten findet Ihr jeweils am Ende der einzelnen Teile.

Teil 1- durch die Schweiz

unsere MTBs am Furkapass
unsere MTBs am Furkapass

Mit dem allerersten Regionalzug fuhren wir nach Lindau am Bodensee und starteten dort unsere Tour bei strahlendem Sonnenschein. Wir folgten den asphaltierten Radwegen entlang des Ufers nach Bregenz und bogen auf den Rheinradweg in die Schweiz ab. Vielleicht lag es an der sommerlichen Hitzewelle, die gerade über Mittel- und Südeuropa schwappte, denn die meiste Zeit waren verhältnismäßig wenige Radler unterwegs. Das kam uns natürlich gelegen und so ging es am ersten Tag flach und zügig voran bis nach Chur. Unsere Übernachtungen während der Tour hatten wir nicht vorgebucht, zum einen weil wir entspannt starten wollten und nie genau wissen, wie weit wir an einem Tag fahren werden, zum anderen hatten wir unser Zelt dabei, so dass sich notfalls immer ein Platz zum Schlafen finden würde. Nach der Hitze des Tages und den Stunden im Sattel freuten wir uns natürlich sehr auf eine erfrischende Dusche und einen schönen Schlafplatz. Statt dessen landeten wir auf dem hoffnungslos überfüllten Campingplatz am Stadtrand von Chur, wo wir uns zwischen andere Zelte quetschen mussten. Es war der Schweizer Nationalfeiertag, überall wurde gegrillt und gefeiert. Dementsprechend erinnerte das Ambiente stark an ein quirliges Festivalgelände. So waren wir fast froh, als nachts ein kräftiger Regenschauer über uns hinweg zog und es um uns herum endlich ruhiger wurde.

Obwohl noch ziemlich unausgeschlafen starteten wir am nächsten Morgen sehr früh, um dem erwartbaren Trubel im Waschhaus und auf dem Campingplatz auszuweichen. Wir folgten dem perfekt angelegten und ausgeschilderten Rheinradweg in Richtung Oberalppass. Allmählich begannen auch die ersten längeren Steigungen und wir radelten langsam bergauf, während die Sommerhitze des Tages weiter zunahm. Begleitet von einer immer schöner werdenden Bergkulisse erreichten wir mit einer tief stehenden Sonne schließlich einen herrlich schattigen und schön angelegtem Campingplatz bei Trun. Dieser Platz war das komplette Gegenteil vom Tag zuvor und so aßen wir noch in der Dämmerung unsere Pasta und freuten uns auf eine ruhige Nacht.

Mit dem ersten Tageslicht standen wir am kommenden Tag erholt auf und freuten uns schon auf den Oberalppass, den ersten großen Pass der Tour. Der Radweg mündete bald in die Bundesstraße und führte uns entlang des Tales durch die spektakuläre Rheinschlucht. Sogar der Verkehr hielt sich hier in Grenzen und so konnten wir die Landschaft und die schönen Ortschaften mit ihren typischen Holzhäusern voll genießen. Die Strecke war äußerst abwechslungsreich und gut zu fahren, fast hätten wir vergessen, dass noch der finale Anstieg zum Oberalppass beginnen würde. Die Passstraße selbst war zwar perfekt ausgebaut, von den Steigungen her gut zu fahren und landschaftlich schön, doch der Verkehr war uns einfach zu viel. So fiel unsere Pause auf der Passhöhe mit der Rheinquelle recht knapp aus.

Aber erneut hatten wir Glück, denn das Wetter war perfekt, es war trocken und trotz der Höhe recht mild. Im warmen Licht der Abendsonne genossen wir die Abfahrt und rauschten über viele Kurven und Kehren hinab ins touristische Andermatt. Nach einem kurzen Stopp am ersten Supermarkt steuerten wir den Campingplatz an. Der war wieder recht voll, dafür ohne Bäume oder Windschutz und bot den Charme eines Supermarktparkplatzes. Zumindest war die Dusche heiß und als Ausgangspunkt für den folgenden Furkapass war seine Lage ideal. Wir kochten uns im letzten Abendlicht eine große Portion Pasta und schlüpften anschließend zufrieden in unsere Schlafsäcke.

Nach einer frischen Nacht ging’s am nächsten Morgen früh los zum Furkapass, denn es waren hochsommerliche Temperaturen vorhergesagt. Die Ausblicke auf die umliegenden Berge waren schon im Tal schön und wurden mit jedem Kilometer bergauf noch besser. Leider war auch der Verkehr im gleichen Maße dichter geworden, was das Erlebnis etwas schmälerte. An der Passhöhe wurden wir dafür mit einem wahrhaft umwerfend schönen Bergpanorama und einer perfekten Fernsicht belohnt. Am Horizont erblickten wir die ersten vergletscherten 4000er im Kanton Wallis und aus dem nächsten Talkessel stürzten sich die tosenden Wassermassen des Rhônegletschers, der Quelle des gleichnamigen Flusses Rhône, bergab. Etwas weiter entfernt, auf der anderen Talseite, konnte man die imposanten Kehren der Straße hinauf zum Grimselpass erkennen und direkt vor uns wartete die kehrenreiche Abfahrt vorbei am bekannten Hotel Belvédère und weiter bergab in Richtung Brig. Wow! Wir genossen das Spektakel eine Weile und fuhren schließlich bergab, bis wir abends einen kleinen, ruhigen Zeltplatz kurz vor Brig fanden, um diesen ereignisreichen Tag zu beenden.

Die Wetterprognose hatte sich nach dem perfekten Start am Bodensee geändert. Sie versprach für den kommenden Tag schwül-heißes Wetter und ab Mittag erste Gewitter. Entsprechend zügig brachen wir wieder auf, um möglichst trocken unser Tagesziel in Martigny zu erreichen. Zwar war die Etappe mit knapp 100 km relativ lang, doch tendenziell folgten wir der Rhône flussabwärts, so dass uns kaum Steigungen erwarten sollten. Nach den zwei vergangenen Tagen sollte das ein Klacks sein, so dachten wir zumindest. Anfangs kamen wir gut voran, doch bald bremste uns ein zunehmend starker Gegenwind mit Temperaturen von mehr als 30°C spürbar aus. Hinzu kam die extrem hohe Luftfeuchtigkeit und so floss bei uns der Schweiß in Strömen, bis sich jeder zurückgelegte Kilometer Strecke als hart verdient anfühlte.

Dafür war die Etappe landschaftlich erneut viel schöner als vermutet. Der Radweg war meist asphaltiert, oft schattig und plötzlich, fast so als wollte die Schweiz uns zeigen, was sie alles zu bieten hat, folgte ein Zeltlager der Superlative. Über Kilometer fuhren wir am größten Pfadfinder-Zeltlager vorbei, das wir je gesehen hatten. Später erfuhren wir, dass es sich um das seit Jahren größte Treffen der Schweizer Pfadfinder mit mehr als 30.000 Teilnehmern gehandelt hatte. Die positiven Überraschungen des Tages gingen weiter, denn kurz darauf lud ein schöner Bergsee  neben der Route zu einem erfrischenden Bad ein. Im kristallklaren, blauen Wasser schwimmen und dabei die Berge genießen, wer will sich da beschweren? Sogar das Wetter hielt durch und so erreichten wir schließlich müde aber zufrieden den Zeltplatz in Martigny.

Rückblickend können wir sagen, dass wir uns die ersten Tage durch die Schweiz nicht so abwechslungsreich und schön vorgestellt hatten, wie wir sie erlebt hatten. Wir waren sehr positiv überrascht worden und jetzt erst recht gespannt auf die kommenden Tage. Denn das, trotz aller Anstrengungen, insgesamt eher gemütliche Dahinrollen auf Asphalt würde bald enden und der erste Härtetest der Tour mit den Offroad-Passagen sollte folgen. Es ging auf die Tour du Mont Blanc (TMB), einer Wander- und MTB-Route auf zum Teil steilen Pfaden um den gleichnamigen und höchsten Berg der Alpen und davor hatten wir ordentlich Respekt.

Teil 2 - Mont Blanc

schöne Auffahrt nach La Fouly
schöne Auffahrt nach La Fouly

Nach einem vorabendlichen Gewitter hingen die Wolken am Morgen noch tief in den Tälern und waberten um die Bergflanken. Die warme Luft dampfte, als die ersten Sonnenstrahlen den Talboden erreichten. Wir waren bereits unterwegs in Richtung La Fouly, dem letzten kleinen Talort im Val Ferret. Dort wollten wir zelten, um am kommenden Tag den ersten Offroad-Pass unserer Tour zu überqueren, den Col du Grand Ferret. Er liegt auf der Tour du Mont Blanc (TMB), der bekannten Wanderroute um den Mont Blanc. Zugleich ist die TMB auch eine ausgewiesene MTB-Route, doch was genau uns erwarten würde, vor allem wie technisch die Auf- und Abfahrten sein würden, das wussten wir nicht. Mit leichtem Tagesgepäck hätten wir keine Bedenken gehabt, doch mit unseren beladenen Bikes war das eine ganz andere Herausforderung und so stieg die Spannung.

Als wir am späten Nachmittag den riesigen Zeltplatz Camping des Glaciers in La Fouly erreicht hatten, blickten wir fast ehrfürchtig auf die imposanten Felswände um uns herum. Als wir in der Dämmerung in unsere Schlafsäcke schlüpften, verspürten wir beim Gedanken an die morgige Etappe schon ein leichtes Kribbeln im Bauch. Das Abenteuer konnte beginnen.

Am kommenden Tag brachen wir bereits im Morgengrauen brachen auf, um möglichst vor den zahlreichen Wanderergruppen unterwegs zu sein. Die ersten Kilometer waren noch gut fahrbar, doch bald endete der Asphalt und eine steile Schotterpiste begann. Bis auf wenige Meter konnten wir die erste Hütte noch im Sattel sitzend erreichen, doch danach begann die lange und fast durchgängige Schiebepassage hinauf zum Grand Col Ferret (2537 m) auf einem Wanderweg. Dieser verläuft aussichtsreich entlang der Berghänge und Hochtäler hinauf bis zur Passhöhe. Trotz der Anstrengungen genossen wir diesen Abschnitt. Auch unser Timing war aufgegangen, so dass uns nicht allzu viele Wanderer entgegen gekommen waren. Schließlich standen wir dann oben, durchgeschwitzt und etwas abgekämpft, aber glücklich! Was für ein grandioses Panorama bot sich uns auf die umliegenden Berge und Gletscher. Das Wetter war perfekt, es war sonnig, warm, und mit einer tollen Fernsicht. So genossen wir die Pause und die Ausblicke, bevor wir uns auf die Abfahrt in Richtung Rifugio Elena machten. 

Anfangs war der Trail recht zahm und selbst mit unseren MTBs gut fahrbar, doch das änderte sich schnell. Nach einer Kuppe fiel unser Blick tief nach unten zum Talboden. Steil und in vielen engen Serpentinen verlief der Wanderweg fortan entlang der Bergflanke hinab ins Tal und immer wieder lag loses Geröll auf dem Weg. Mit Bergstiefeln, Stöcken und Rucksack ist das kein Problem, wir hingegen in unseren Radschuhen und dem ganzen Gewicht am Bike hielten einen Moment inne. Wir mussten unsere Räder mit voller Konzentration bergab schieben und waren langsamer als die meisten Wanderer. Doch nach gut einer Stunde Schieben hatten wir das Rifugio Elena, das am Ende des Val Ferret liegt, endlich erreicht. Ab dort wandelte sich der Bergpfad zu einer gut fahrbaren, breiten Schotterpiste. Wir rauschten bergab und stießen bald wieder auf ein schmales Asphaltsträßchen,  auf dem wir weiter abwärts in Richtung Courmayeur rollten. Die umliegende Natur mit den grünen Wiesen, Lärchen, vergletscherten Bergflanken, einem rauschenden Gebirgsbach und weiß-blauen Himmel bot eine umwerfend schöne Kulisse, so dass die Anstrengungen und die Anspannung des Tags fast vergessen waren. Flott ging es über viele Kilometer abwärts, bis wir im Talort Morgex auf einem schönen Zeltplatz landeten. Dort gönnten wir uns den ersten Ruhetag auf unserer Tour und die erste italienische Pizza. 

Deutlich erholter setzten wir unsere Mont-Blanc-Umrundung am übernächsten Morgen fort. Zunächst hieß das ein paar steile Kilometer auf der gleichen Asphaltstraße in Richtung Courmayeur zurück fahren, bis wir ins Val Veny und damit in Richtung Col de la Seigne abbiegen konnten. Dies war der zweite große Pass auf unserer TMB-Strecke. Nach wenigen Kilometern in diesem beeindruckend schönen Tal, endete die asphaltierte Straße und damit glücklicherweise auch der motorisierte Verkehr. Die Auffahrt war steil, aber gut fahrbar, bis sich das Tal auf einmal weitete und den Blick auf eine Hochebene mit einem kleinen See freigab. Gleich dahinter fielen die wilden Felswände des Mont-Blanc-Massivs steil ab. Wir waren einfach nur begeistert und diese imposante Kulisse begleitete uns ab jetzt bis hinauf zum Pass. Der Schotterweg war zwar rauh, doch überwiegend fahrbar. Erst am Rifugio La Casermetta wandelte sich die Piste zu einem nicht schwierigen, dafür aber umso steileren Wanderweg. Fortan hieß es wieder schieben, teils mit vollem Körpereinsatz, bis endlich der Col de la Seigne auf 2516 m erreicht war. Das Panorama war schlichtweg grandios und auch das Wetter war einfach nur perfekt.

Wir genossen die Aussicht ausgiebig und machten uns auf die zu unserer Freude komplett fahrbare Abfahrt. Erst viel später stießen wir wieder auf eine asphaltierte Straße und es folgte eine rasante Abfahrt ins Tal und zum Zeltplatz in Bourg-St.Maurice, in Frankreich. Was für ein schöner und wilder Tag war für uns zu Ende gegangen. Die zwei Etappen auf der Tour du Mont Blanc haben uns, rückblickend betrachtet, landschaftlich und technisch gesehen absolut begeistert.

Teil 3 - ungeplanter Stopp in Turin

Nach zwei beeindruckenden und fordernden Offroad-Etappen auf der TMB klang der heutige Tag fast schon leicht zu werden, wenigstens auf dem Papier, schließlich würde die gesamte Strecke auf normalen Straßen verlaufen. Allerdings stand uns der höchste Pass unserer gesamten Tour bevor, es ging hinauf zum Col d`Iseran auf 2764 m, einem der höchsten asphaltierten Alpenpässe überhaupt. Mehr als 2000 Höhenmeter und rund 80 km erwarteten uns. Entsprechend früh starteten wir, denn es sollte wieder sommerlich heiß werden und wir wollten auch dem Verkehr hinauf zum Wintersportort Val d`Isère etwas entgehen. Landschaftlich war die Auffahrt in der Tat sehr schön, doch der Verkehr war dicht, vor allem bis Val d`Isère, doch zum Glück konnten wir für ein paar Kilometer vor dem Ort auf eine ruhige Nebenstrecke ausweichen.

In Val d`Isère legten wir eine Pause um uns zu stärken und um Wasser nachzufüllen, doch das war gar nicht so einfach. Genau wie in der Schweiz herrschte auch hier eine extreme Dürre, sämtliche Brunnen waren abgestellt, so dass wir in einer Bar um Wasser fragen mussten. Mit gefüllten Trinkflaschen waren wir froh, als wir diese touristisch aufgemotzte Kleinstadt mitten in den Bergen wieder verlassen konnten. 

Endlich ließ auch der Verkehr ein wenig nach und die Ausblicke wurden immer besser. Der Pass wollte am Ende hart verdient sein, denn auf den letzten Kilometern kostete uns ein kalter Gegenwind ordentlich Kraft und die harten Etappen der Vortage steckten uns zudem in den Knochen. Es war bereits später Nachmittag geworden, als wir schließlich fröstelnd auf der zugigen Passhöhe standen und so fiel die Pause eher knapp aus. Wir begaben uns zügig auf die landschaftlich fast noch schönere Abfahrt.

Einmal mehr wurden wir für die Anstrengungen belohnt. Zu unserer Freude erlebten wir mehrere Steinadler, die sich im Aufwind und ohne jeden Flügelschlag über Minuten hinweg majestätisch in die Höhe schraubten bis sie hinter einem Berg verschwanden, was für ein beeindruckendes Naturerlebnis. Weniger schön waren in den folgenden Talorten dann die Massen an Fahrzeugen und Wohnmobilen, die jeden freien Winkel zu besetzen schienen. Allmählich machten wir uns Gedanken. Wo würden wir heute Nacht schlafen, sind die Zeltplätze überfüllt? Im Talort Lanslevillard stießen wir erfreulicherweise auf einen Campingplatz mit viel freiem Platz und waren erleichtert. Nach dem langen Tag freuten uns einfach auf etwas zu Essen, eine Dusche und unser Zelt.

Als der nächste Morgen heraufdämmerte, frühstückten wir bereits. Die heutige Route würde uns über den Col du Mont Cenis und damit zurück nach Italien führen. Wir spürten die Strapazen der letzten Tage, doch nach den sonnig-heißen Tagen und sogar Wochen mit einer außergewöhnlichen Trockenheit selbst mitten in den Bergen, sollte in Kürze eine Kaltfront mit Regen durchziehen. Diese wollten wir nicht mitten in den Bergen aussitzen müssen, sondern lieber etwas weiter unten im Tal, in Italien. Also starteten wir erneut früh hinauf zum Pass. Verglichen mit den Vortagen war der Anstieg eher moderat und selbst der Verkehr war nicht zu dicht. Trotzdem waren wir froh, als wir am Lac du Mont-Cenis, einem großen Stausee kurz nach der Passhöhe, auf eine verkehrsfreie Schotterstraße abbiegen konnten. Die Ausblicke auf die umliegenden Berge und alte Befestigungsanlagen aus dem 1. Weltkrieg waren erneut beeindruckend und die Vorfreude auf die bevorstehende lange Abfahrt nach Susa groß. Die ersten Meter gings auf einer alten, grob geschotterten Militärstraße bergab und dann auf Asphalt. Rasant folgten wir der perfekt ausgebauten aber steilen Passstraße rund 1500 Höhenmeter hinab ins Tal. Statt frischer Bergluft und Ruhe empfingen uns dort die sommerliche Hitze und der Verkehrslärm einer geschäftigen Kleinstadt. Wir benötigten eine Pause. 

Nach dem ersten italienischen Eis im Ortszentrum folgte die Überraschung. Die Nabe an Clemens` Hinterrad lief rauh und das Lager hatte ordentlich Spiel. In einem nahen Radgeschäft konnte uns leider nicht geholfen werden, auch ein Ersatzhinterrad war nicht verfügbar und so musste eine andere Lösung her. Wir entschieden uns spontan dazu, auf dem nächsten Zeltplatz zu übernachten und am kommenden Tag weiter in Richtung Turin zu fahren, in der Hoffnung dort ein gut sortiertes Radgeschäft vorzufinden, denn mit diesem Defekt hätten wir die Tour nicht fortsetzen können. Doch würde das so problemlos klappen?

 Wie die Tour weiterlief, das lest Ihr in Teil 2/2!

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