· 

Im Test - Der Winterradschuh Wölvhammer von 45nrth

Die Wahl des richtigen Winterradschuhs ist gar nicht so einfach und die Auswahl an Modellen und Marken ist groß. So reicht die Palette von ungefütterten Modellen mit lediglich einem längeren Schaft bis hin zu expeditionstauglichen und entsprechend voluminösen Winterstiefeln. Bei der Suche stießen wir auf den US-Hersteller 45nrth aus Minnesota, der auf Produkte fürs Winterradfahren spezialisiert ist und der gleich mehrere Winterradschuhe im Programm hat. Der Winterstiefel Wölvhammer schien laut der Webseite der nahezu perfekte Schuh zu sein. Welche Erfahrungen Clemens mit seinem Paar nach einigen Wochen im Einsatz in diesem Winter gesammelt hat, das lest Ihr hier.

Berghuhn testet
Der Winterradstiefel Wölvhammer von 45nrth (Modell von 2017)

Transparenzhinweis

Die hier gezeigten Schuhe haben wir uns selbst gekauft, somit handelt es sich um unbezahlte Werbung ohne Auftrag.

Meine Anforderungen an einen Winterradschuh


Bereits im letzten Winter hatte ich lange gesucht und dabei ein paar sehr unterschiedliche Winterradschuhe ausprobiert, um ein Gespür für diese Kategorie von Schuhen zu bekommen. Dabei gab es ein paar Überraschungen. Was aus unserer Sicht einen wirklich guten Winterradschuh ausmacht und woran man vor einem Kauf unbedingt denken sollte, das haben wir hier bereits ausführlich vorgestellt

 

Ich hatte klare Anforderungen an meinen neuen Winterradschuh:

  1. Ich suchte einen solide verarbeiteten Winterradschuh/stiefel mit hohem, am Bein gut abschließenden Schaft, an dem sich SPD-Cleats montieren lassen, um effizient mit Klickpedalen treten zu können.  
  2. Der Schuh soll sich für das typisch deutsche, oft nasskalte Winterwetter in einem Temperaturbereich zwischen +3°C bis etwa -8°C eignen und muss folglich unbedingt wasserdicht sein. Selbst bei 2-3 stündigen Fahrten sollen meine Füße  warm und trocken bleiben. Für Expeditionen braucht er hingegen nicht tauglich zu sein.
  3. Die Sohle soll einerseits zum Radfahren ausreichend steif sein für eine gute Kraftübertragung und andererseits schön griffig beim Gehen im Schnee oder auf glattem Untergrund.  
  4. Die Passform muss für eher schlanke, große Füße (EU48) passen und bei Bedarf ausreichend Platz für dickere Wollsocken bieten, um den Schuh noch besser auf die aktuelle Temperatur abstimmen zu können.

Um es auf den Punkt zu bringen: Ich war auf der Suche nach einem "echten" Winterradschuh und nicht nach einem Kompromiss-Radschuh für die kühle Übergangszeit im Frühjahr oder Herbst.

Im Test - der Wölvhammer von 45nrth

Laut der Webseite von 45nrth sollten mir die Schuhe  in Größe 47 locker passen. Aus der Erfahrung mit Sportschuhen von anderen Herstellern habe ich ein zweites Paar zum Vergleich in Größe 48 dazubestellt. Geliefert wurden die Schuhe in zwei unterschiedlichen Ausführungen, einmal das ältere Modell aus dem Jahr 2017 in Größe 48 und das neuere Modell von 2019 in Größe 47. Die aktuelle Version aus dem Jahr 2021 war nicht lieferbar, was mir sogar ganz recht war, doch dazu später. 

Erster Eindruck

Die zwei Modelle des Wölvhammer im direkten Foto-Vergleich: jeweils der linke Schuh mit Boa-Drehverschluss ist das neuere Modell von 2019. Getestet haben wir das Modell von 2017 mit der Schnürung. Technisch gesehen sind beide Schuhe ansonsten fast identisch aufgebaut.

Beim ersten Anprobieren war schnell klar, dass die größere Schuhgröße des Modells aus dem Jahr 2017 (EU48) besser passte, als die laut der Webseite empfohlene eine Nummer kleinere. Manche Kommentare von Käufern rieten sogar dazu, die Schuhe gleich 2 Nummern größer zu bestellen als man sie normalweise trägt, um so bei großer Kälte zwei Paar dicke Socken übereinander tragen zu können. Das habe ich nicht vor und außerdem tragen sich Schuhe mit so extrem dicken Socken für meinen Geschmack nicht gut.

Von der Passform her sind beide Modelle grundsätzlich gleich. Das Modell von 2017 hat eine simple Schnürung, die man mit einem Schieber schließt und oben am Schaftende gibt es einen zusätzlichen Klettriemen. Diesen sollte man nicht zu eng schließen, weil sonst die relativ steife Zunge am Schienbein drücken kann.

Das jüngere Modell von 2019 hat statt der Schnürung einen schicken Boa-Drehverschluss und ebenfalls den Klettriemen. Die Zunge sowie der obere Abschluss des Schafts sind mit einem extra weichen Stoff versehen, wodurch sich der Schuh hier angenehmer trägt. Durch den Drehverschluss lässt sich dieses Modell auch etwas einfacher an- und ausziehen und bequemer an den Fuß anpassen. Bis auf ein paar optische Unterschiede sind die Schuhe ansonsten fast identisch aufgebaut.

Der laut dem Hersteller angegebene Komfort-Temperaturbereich ist mit -4°C bis -18°C bei beiden Modellen gleich. Für meinen Einsatzbereich ist der Schuh damit eher zu warm ausgelegt. Allerdings machen hier viele Hersteller eher großzügige Angaben, oder ich friere an den Füßen einfach schneller als der DIN-Fuß im Testlabor.  Der Test würde es zeigen.

Die Schuhsohlen beider Modelle sind gleich und haben ein grobstolliges Profil mit ein paar extra Blocks mit integrierten Glasfasern, was für zusätzlichen Grip auf glattem Untergrund sorgen soll. Die SPD-Cleats lassen sich schnell montieren und bieten erfreulicherweise ausreichend Verstellmöglichkeiten in Schuhlängs- und Querrichtung. Auch ist das Profil der Schuhsohlen so tief, dass die Cleats beim Laufen auf glattem Untergrund, z.B. im Treppenhaus, den Boden nicht berühren. Das finde ich prima, da man so kaum ausrutschen kann. Was beim ersten Anprobieren noch auffällt, ist die Größe der Schuhe. Dies sind richtig große Stiefel und keine leichten Radschuhe! 45nrth emphielt sie daher fürs Winter-Fatbiking. Für den Einsatz im Tiefschnee haben die Schuhe vorne einen extra Ring (siehe Fotos oben), um daran Gamaschen wie bei Bergstiefeln einhängen zu können. Ich war gespannt auf den ersten Einsatz!

Der Wölvhammer ist ein dicker Stiefel. Im Vergleich wirkt der Winterradschuh MTB Heater Gore-Tex von Scott in der gleichen Größe fast schon zierlich.

Die Schuhe im Test

Zur Erinnerung, der Praxistest hier bezieht sich nur auf das ältere Modell aus dem Jahr 2017 mit der Schnürung.

Positiv ist mir aufgefallen:

  • Die  SPD-Cleats sind ausreichend tief im dicken Profil der Schuhsohle versenkt, so dass sie selbst beim Laufen auf Steinfliesen den Boden nicht berühren und man nicht wegrutscht, was sehr angenehm ist.
  • Der zweite positive Effekt ist die relativ große Aussparung im Schuhprofil zur Montage der Cleats. Dadurch lassen sich die Cleats in einem breiten Einstellbereich individuell anpassen. Obwohl die Schuhe wie voluminöse Winterstiefel wirken, passt die Achslänge unserer Shimano PD T8000 Kombi-Klickpedale problemlos. Im Gegenteil, die Cleats lassen sich an der Schuhsohle in Richtung der Pedalachse soweit nach außen verschieben, dass der Abstand zu den Kurbeln schön gering ist. Somit steht man mit den Zehenballen gut im Schwerpunkt über der Pedalachse und auch der Stand auf dem Pedal passt. Der Q-Faktor fühlt sich an wie bei den deutlich dünneren Winterradschuhen von Scott. Ein Nachmessen mit dem Meterstab bestätigte diesen Eindruck. Zum Vergleich: bei unserem letzten Test des Modells Himalaya von Northwave war die eingeschränkte Verstellmöglichkeit der Cleats auf der Schuhsohle in Querrichtung ein echtes Problem. Der Q-Faktor war zu groß und damit passte mir die Ergonomie beim Treten überhaupt nicht mehr (siehe unser Testbericht).
  • Der übrige Eindruck zum 45nrth Wölvhammer fällt bislang recht positiv aus. Er ist solide verarbeitet, die Sohle bietet auch beim Gehen im Schnee einen guten Grip und sie ist ausreichend flexibel. Längere Strecken zu Fuß will man anfangs mit diesen Schuhen nicht gehen, da der Schaft etwas steif ist. Doch nach ein paar Wochen im Einsatz gibt sich das und mittlerweile trägt sich der Schuh angenehm.
  • Im SPD-Pedal eingeklickt fährt es sich gut, nur die Sattelstütze muss weiter ausgezogen werden, da die Sohle deutlich dicker ist als bei Sommerradschuhen. Bei mir waren das rund 10 mm.
  • Auch ausgeklickt hat man mit den Schuhen auf einem Plattformpedal einen guten Stand.
  • Da der Wölvhammer mit 200 g Primaloft warm gefüttert ist, eignet er sich nur für Temperaturen von 0°C und weniger. Steigt das Thermometer über Null Grad an, dann wird es schnell zu warm am Fuß und man fühlt sich wie in der Dampfsauna. Doch das kann man dem Schuh kaum als Negativpunkt ankreiden, schließlich ist er ein ausgewiesener Winterradstiefel.
  • Mit dicken Wollsocken blieben die Füße auf mehreren abendlichen Ausfahrten zwischen 2 und 3 Stunden Dauer bei Temperaturen zwischen -5 und -7°C trotz kaltem Ostwind noch ausreichend warm. Manchmal musste ich auf meinen Touren auch kurz absteigen und ein paar Minuten gehen, um die Zehen wieder aufzuwärmen. Mit anderen Einlegesohlen könnte man die Wärmeleistung sicher noch etwas erhöhen. Doch ich plane keine Arktisexpedition. Die kälteste Temperatur im Einsatz war -13°C für eine halbe Stunde auf dem Weg zur Arbeit. Hier war noch kein Kälteeinbruch am Fuß zu spüren. 
  • Die Passform ist für einen Winterradschuh gut, selbst mit schlanken Füßen. Doch die Passform muss jeder selbst ausprobieren.
  • Die Schuhe lassen sich leicht an- und ausziehen. 
  • Das Schnürsystem ist simpel und solide. Würde es beschädigt werden, dann kann man es selbst reparieren.
  • Der Schuh ist komplett wasserdicht.

weniger gut gefiel mir:

  • Ist der Schuh einmal richtig nassgeschwitzt, dann dauert das Austrocknen recht lange. Ein herausnehmbarer Innenschuh (wie bei dem aktuellen Modell von 2020) wäre hier sicher hilfreich, vor allem wenn man den Schuh am nächsten Tag wieder trocken anziehen will. Doch ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, den Schuh einfach mit trockenem Zeitungspapier auszustopfen und dieses ein paar mal zu wechseln. So ist der Schuh am nächsten Morgen wieder fast trocken.
  • Auf blankem Eis bieten die speziellen Glasfaserblocks in der Schuhsohle keinen merklichen Grip, auf nassen Steinfliesen hingegen schon. 
  • Die Zunge und der Abschluss des hohen Schafts am Wölvhammer aus dem Jahr 2017 ist beim ersten Mal tragen relativ steif und kann am Schienbein beim Gehen etwas drücken. Nach ein paar Wochen im Einsatz wird der Schaft aber spürbar weicher. In der Version von 2019 ist der Schaftabschluss oben weicher gepolstert. 
  • Wenn man längere Zeit ausgeklickt mit Plattformpedalen fährt, dann verschleißen die scharfen Stahlpins die Schuhsohlen. Doch das gilt auch für andere Schuhe, man sollte es nur wissen.

Ein paar Gedanken zum aktuellen Wölvhammer des Jahrgangs 2020/21

Das neueste Modell des Wölvhammer von 2020/21 ist eine komplette Neukonstruktion des Stiefels und soll noch etwas wärmer sein. Daher bin ich sogar froh über das etwas ältere, nicht ganz so warme Modell, da es zu den meist moderaten Wintertemperaturen in Deutschland besser passt. Der aktuelle Schuh soll auch deutlich schneller austrocknen, weil sich der Innenschuh komplett aus der Außenschale herausnehmen lässt. Gehalten wird der Innenschuh mit einem einzigen Boa-Drehverschluss, der Klettriemen am Schaft ist entfallen. Von mehreren Nutzern habe ich gelesen, dass dieser Boa-Drehverschluss deutlich unterdimensioniert sein soll, um den Innenschuh sauber in Position zu halten. Außerdem lasse sich der Boa-Verschluss nur mit äußerster Mühe ausreichend fest zudrehen, damit der Schuh richtig sitzt, so dass manche deshalb das hier getestete, ältere Modell besser fanden.  

Fazit

Das Modell Wölvhammer von 45nrth aus dem Jahr 2017 ist für mich ein gelungener Winterradstiefel und definitiv sein Geld wert. Endlich bleiben die Füße auch bei längeren Fahrten bei deutlichen Minusgraden angenehm warm und das ohne doppelte Socken und extra Überschuhe. Nähert sich die Temperatur hingegen der 0°C-Marke, dann wird es schnell zu warm und man schwitzt stark. Ist der Schuh erst einmal nass, dann trocknet er nur langsam wieder aus. Der Schuh ist komplett wasserdicht und hat für den Einsatz im Schnee und auf glatten Bodenbelägen eine griffige Sohle. Beim Radfahren trägt er sich trotz seiner Größe erstaunlich angenehm und hat durch die ausreichend steife Sohle und die richtig positionierbaren Cleats eine gute Kraftübertragung auf das Pedal. Nach einem kalten Winter im regelmäßigen Einsatz habe ich endlich meinen passenden Winterradstiefel gefunden.

Fragen, Wünsche, Anregungen?

Schreibt uns eine Mail an: team@berghuhn.de

Zuschriften unserer Leser

Hallo,

erstmal danke für den ausführlichen Test.

Ich hatte das aktuelle Modell Wölvhammer mit Boa ohne Querriemen. Genau das war das Problem. Das Boa-System ist mehrmals gerissen. Selbst der stabilere Draht  von Boa riss ! Der Wegfall des Querriemens ist meiner Meinung nach ein Konstruktionsfehler, da die Kraft voll auf den Draht geht.  Schade.

Modelle zum Schnüren, auch der Wolfgar..... nicht zu finden auf dem Markt (in meiner Größe)

Wann ein neues modell 2022 kommt konnte ich von 45north noch nicht in Erfahrung bringen..... wissen sie da schon etwas ?

Umso glücklicher bin ich nun das ich heute über ebay ein gebrauchtes Paar mit Querriemen bekommen konnte. Ich hoffe das Modell sitzt genauso gut wie das aktuelle Modell.

lg