Bikepacking Alta Via

Mit dem MTB unterwegs auf einsamen Pfaden in Italien

Im Spätsommer 2020 nutzte Clemens eine kurze Schönwetterphase für eine Traumtour durch die Berge Italiens. Los gings am Fuße der Seealpen im Piemont, in der schönen Stadt Cuneo.  Auf kleinen Wegen führte die Route über die Via del Sale und den Alta Via dei Monti Liguri bis an die Küste bei Varazze, nur wenige Kilometer vor Genua. Welche Eindrücke er von der Tour mitgebracht hat, das gibt es hier zu lesen und im Video sehen. Am Ende des Artikels findet Ihr ein extra Video mit der kompletten Packliste der Tour.

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Die 5 Etappen im Überblick

Bikepacking Alta Via dei Monti Liguri
Übersichtskarte der Tour

Die Gesamtstrecke von Cuneo bis Varazze und weiter entlang der Küste bis zum Bahnhof in Genua-Voltri beträgt rund 240km mit 6000hm. Knapp die Hälfte der Route verläuft auf unbefestigten Wegen, d.h. meist Schotter, aber auch auf Wanderwegen mit Schiebepassagen. Flach sind bei der Tour nur die ersten 10 sowie die letzten 30 km entlang der Küste bis zum Bahnhof in Genua.

Startort Cuneo

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Start im Zentrum von Cuneo

Wir waren in den letzten Jahren immer wieder in dieser Region zwischen Frankreich und Italien unterwegs gewesen und konnten bereits einige schöne Ecken an der Küste und im Hinterland mit dem Rad erkunden. Die Kombination aus hohen Bergen im Hinterland der Küste und der Aussicht auf ein Bad im Mittelmeer am gleichen Tag hat es uns einfach angetan. Dazu kommen die gute Küche, viele kleine Bergstraßen im Hinterland mit wenig Verkehr und ein mildes Klima. Doch diesmal lag der Fokus bei der Tourenplanung nicht auf einer längeren Etappentour von einem Ort zum nächsten auf asphaltieren Straßen. Vielmehr suchte ich nach einer möglichst schönen und abwechslungsreichen Strecke durch die Berge. Ich wollte die schönsten Offroad-Strecken zu einer mehrtägigen und auch mit Gepäck gut fahrbaren MTB-Bikepacking Tour verbinden. Alle Hauptstraßen und größeren Orte wollte ich hingegen vermeiden, um möglichst viel in der Natur unterwegs zu sein und abseits aller Menschenmassen. War das in dieser touristisch sehr gut erschlossenen Region überhaupt möglich und noch dazu in der Urlaubszeit?

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Blick auf die Alpen bei Cuneo

Die An- und Abreise wollte ich mit der Bahn machen und auf meiner Tour möglichst autark mit Zelt und Proviant für wenigstens zwei Tage sein, um genügend Muße für etwas Abenteuer und Flexibilität zu haben. Diese Herangehensweise sollte sich noch als sinnvoll herausstellen, doch dazu später mehr.

Nach etwas Recherche im Netz standen der Start- und Zielort fest. Ich würde in Cuneo starten und die Tour irgendwo bei Genua an der Küste beenden, da hier die beste Zuganbindung zurück nach Deutschland bestand. Wie weit ich tatsächlich kommen würde, liess ich bewusst offen, denn diesmal baute ich in die Strecke möglichst viele Nebenstraßen und auch längere Offroad-Passagen ein. Wie schnell man dabei vorankommt, lässt sich nur grob abschätzen, da ich die Strecke nicht kannte und sich das Wetter in den Bergen schnell ändern kann. Heraus kam eine sehr spannende Route, die bereits kurz nach Cuneo auf kleinen Pfaden in die Alpen und hinauf auf die Via del Sale, auch Ligurische Grenzkammstraße genannt, führen würde. Doch statt auf dieser bis zur Mittelmeerküste zu fahren, würde ich in den Bergen auf den Alta Via dei Monti Liguri nach Osten abbiegen, einen Weitwanderweg über die höchsten Bergkämme des ligurischen Apennin. Ich war gespannt, wie weit ich auf diesem Wanderweg überhaupt würde fahren können. Doch es sollte ja ein Abenteuer werden.

Der Wetterbericht versprach für die Region bestes Bergwetter für die nächste Woche und so konnte es endlich losgehen!

Etappe 1: Cuneo - Rifugio Don Barbera

Das Abenteuer begann mal wieder früher als gedacht, nämlich am Bahnsteig in München. Zwar hatte ich noch eines der wenigen Zugtickets für den Eurocity inklusive Radl bis Verona ergattert, doch mein Waggon mit der Reservierung fehlte. Der Schaffner meinte nur, der Wagen sei halt defekt. In Gedanken sah ich den Zug schon ohne mich losfahren und meine Tour vergessen zu können, doch ich hatte Glück. Mit norddeutscher Gelassenheit wies mir der Schaffner statt dessen ein Abteil in der ersten Klasse zu, wo ich mein Rad samt Gepäck verstauen konnte. Er half mir sogar beim Einsteigen und ich war ziemlich erleichtert. Die weitere Reise mit mehrfachem Umsteigen in Norditalien verlief zum Glück sehr entspannt, wenn auch ewig lange, bis ich endlich, am Abend, nach rund 12 Stunden in Cuneo in einem Hotel einchecken konnte. Eine erholsame Nacht vor dem Tourstart wollte ich mir noch gönnen.

Die Nacht verlief tatsächlich ruhig, bis mich in den frühen Morgenstunden ein heftiges Gewitter mit Blitz, Donner und einem sintflutartigen Regen aus dem Schlaf riss. Der Wetterbericht lag gründlich daneben. Ich war jedenfalls froh um meine feste Unterkunft und das leckere Frühstücksbuffet am nächsten Morgen. Gut gestärkt und zum Glück ohne Regen startete ich im Zentrum der Stadt.

In den nahen Alpen hingen noch die Wolkenreste der vergangenen Nacht und auch die Temperaturen waren für die Jahreszeit recht kühl. Die ersten 15 km ging es relativ flach und flott auf Nebenstraßen voran und im letzten Talort vor den Bergen deckte ich mich in einem kleinen Supermarkt noch ausgiebig mit Lebensmitteln ein, denn außer ein paar Hütten würde es in den nächsten Tagen auf meiner Route kaum Geschäfte geben. Mein MTB war also ziemlich schwer beladen, als der eigentliche Anstieg kurz hinter der Ortschaft Peverangno hinauf Richtung Rifugio Pian del Gorre begann. Ursprünglich hatte ich wegen der unausweichlichen Schiebepassagen auf meiner Strecke geplant, statt des Gepäckträgers mit den zwei Ortlieb Gravelpacks, nur mit dem Tailfin AeroPack X als leichtere Variante zu fahren, so wie auf der letzten Bikepacking Tour im Bayerischen Wald. Doch mit dem ganzen Proviant wurde mir der Platz zu eng. Ich hoffte einfach, dass die Strecke nicht zu hart werden würde.

Die Stichstraße hinauf zum ersten Rifugio führte mitten hinein in den schönen Parco Naturale del Marguareis. Dass es hier sehr schön ist, wussten wohl auch viele Italiener aus Turin und Umgebung, die hier mit ihren Autos unterwegs waren und etliche Restaurants am Straßenrand bewiesen, dass dieses Tal bei Ausflüglern recht beliebt sein muss. Beim Rifugio Pian del Gorre auf 1040 m endete die Straße und damit auch der Asphalt. Mit einem Schlag war ich fast allein unterwegs. Ein alter Saumpfad führte die kommenden Kilometer mit einer relativ moderaten Steigung bergan. Trotzdem war immer wieder Schieben angesagt. Mit leichterem Gepäck wäre sicher noch mehr der Strecke fahrbar gewesen. 

Zu meinem Glück hielt auch das Wetter länger durch als vorhergesagt, erst kurz vor dem ersten Pass, dem Passo del Duca auf 1960 m erwischte es mich dann doch. Der Saumpfad war zu einem schalen Bergpfad durch einen Latschengürtel geworden und ich steckte in dichtem Nebel und es begann zu regnen. Plötzlich zuckte ein greller Blitz nicht weit von mir entfernt durch die Wolken, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner. Mir standen alle Haare zu Berge und ich hoffte nur, dass mich die umliegenden hohen Felsen schützen würden, denn eine Schutzmöglichkeit oder einen Unterstand gab es hier weit und breit nicht. Als ich kurze Zeit später die Passhöhe erreicht hatte, rissen die Wolken wieder auf und gaben den Blick frei auf eine wild zerklüftete Bergwelt. Zwar regnete es noch leicht, doch das Gewitter war vorbeigezogen, so dass ich ziemlich erleichtert war.

Parco Naturale del Marguareis
Passo del Duca, 1960 m

Zu meiner Freude war der Weg jetzt wieder für ein Stück fahrbar und die Sicht besserte sich zunehmend. Doch so schnell sollte es nicht weitergehen, denn etwas später versperrte mir eine große Kuhherde den Weiterweg. Offensichtlich fanden auch die Tiere den Saumpfad viel bequemer als die umgebenden Steilhänge. Selbst als ich mich ihnen bis auf zwei Meter näherte, machten sie keinerlei Anstalten zur Seite zu weichen. Ich muss für sie wie eine Attraktion ausgesehen haben, so wie mich alle anglotzten. Es half nichts, die Zeit verging, es war schon später Nachmittag geworden und die eigentliche Passhöhe lag noch weit entfernt. Ich musste weiter. Teils schob ich mein schwer beladenes Rad querfeldein bergauf, teils gelang es mir zumindest ein paar der Tiere vom Weg zu vertreiben, bis ich die Herde endlich passiert hatte. Der Weiterweg war wunderschön, aber auch ziemlich anstrengend und teils sehr steil, so dass ich erst kurz vor Sonnenuntergang den höchsten Punkt des Tages, den Colle del Piana auf 2285 m erreicht hatte. Hier verläuft zugleich die Grenze zu Frankreich und so genoß ich für einen Augenblick die grandiose Aussicht auf die französischen Seealpen, die in der Abendsonne rot leuchteten. 

Einige Meter unterhalb lag sie vor mir, die bekannte Via del Sale, auch ligurische Grenzkammstraße genannt. Dabei handelt es sich um eine ehemalige Militärstraße aus dem Ersten Weltkrieg, die vom Col de Tende bis nach Ventimiglia an der Küste und immer entlang der französisch-italienischen Grenze verläuft. Etliche Ruinen zeugen noch von der traurigen Geschichte. Heute ist diese Strecke tagsüber sogar mit Jeeps befahrbar, was natürlich einige Touristen anlockt. Doch ich war spät dran, so dass mir nur ein Hirte mit seiner Herde und den berüchtigten weißen Hirtenhunden begegnete, ansonsten herrschte Stille.

Ligurische Grenzkammstraße
Via del Sale im letzten Tageslicht

Doch ich war in Eile, denn mein Etappenziel lag noch immer ein paar Kilometer und 200hm entfernt. Der Himmel war nach Regen am Nachmittag immer klarer geworden und mittlerweile war es empfindlich kalt. Ich zog lange Sachen, Handschuhe und Mütze an und erreichte schließlich mit dem allerletzten Tageslicht das Rifugio Don Barbera. Die Hütte war offensichtlich gut besucht und ich wurde vom Hüttenwirt schon vor dem Eintreten in die Gaststube begrüßt. Ganz offensichtlich war ich der letzte Ankömmling des Tages und ich bekam sogar noch eine warme Mahlzeit serviert. Die Wirtsleute waren total entspannt und ich konnte mein Zelt ein Stück von der Hütte entfernt auf einer Wiese aufschlagen. Sogar eine, wenn auch eiskalte, Dusche konnte ich mir noch genehmigen. Satt, geduscht, hundemüde aber glücklich schlief ich in meinem Zelt unter einem Sternenhimmel ein. Was für ein Auftakt von meiner Tour! 

Etappe 2: Rifugio Don Barbera - Rifugio Pian del`Arma

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Blick zum Rifugio Don Barbera

Der zweite Morgen begann kalt mit nur rund 5°C, aber dafür mit einem strahlend blauen Himmel und der Wetterbericht versprach einen Traumtag in den Bergen mit angenehmen Temperaturen. Ich genehmigte mir ein Frühstück auf der Hütte. Doch nach dem üppigen Abendessen am Vorabend war der Anblick etwas ernüchternd. Außer ein paar Minischeiben Brot mit Marmelade gab nur ein paar trockene Kekse. Zumindest war der Filterkaffee schön heiß und machte mich munter. In der aufgehenden Morgensonne packte ich mein Zelt zusammen und fuhr weiter bergauf auf der Via del Sale. Vor mir waren nur ein paar Reiter gestartet, ansonsten war ich erst mal alleine unterwegs. Das Panorama und die Sicht auf die umliegenden Berggipfel im Morgenlicht waren einfach fantastisch. Ein paar Bergdohlen segelten mit ihren typischen Pfiffen entlang der Bergkämme an mir vorbei, ansonsten war Ruhe. Entlang der Berghänge verlief die Strecke ein Stück bergauf, bis die Trasse nach einer scharfen Kurve deutlich bergab führte. Ich stoppte immer wieder und genoss die Ausblicke, doch es dauerte nicht lange, bis sich wieder einige Quellwolken bildeten. Lag der Wetterbericht schon wieder daneben? Die holprige aber ansonsten gut fahrbare Piste führte weiter entlang der Bergflanken abwärts und durch einen wunderschönen Lärchenwald. Hier begegneten mir auch immer mehr Mountainbiker, die meisten davon waren auf Pedelecs unterwegs, die mich auf den Gegenanstiegen locker pedalierend und meist grußlos überholten. 

Etwas später kam nach einer Biegung der Monte Saccarello in den Blick. Normalerweise sollte das ein Parade-Aussichtsberg sein, da er die höchste Erhebung vor dem Meer ist. Doch die Wolken hatten sich inzwischen verdichtet und so lag er ebenfalls in Wolken gehüllt vor mir. Es war spürbar kühler als für den Tag vorhergesagt und ohne Sicht 400 Höhenmeter extra in die Wolken hinauf zu radeln wollte ich mir dann doch sparen. Zudem war des gestrige Tag durch die vielen Schiebepassagen anstrengender gewesen als gedacht, so dass ich mich entschied, ohne diesen Umweg direkt auf den Alta Via abzubiegen.

Das bedeutete zunächst mal ein paar steile Kilometer auf schlechtem Asphalt steil bergab zu fahren, bis ich auf den häßlichen Wintersportort Monesi di Triora stieß, der jetzt im Sommer öde und verlassen dastand. Zumindest war auf den folgenden Kilometern auf der inzwischen wieder asphaltierten Nebenstraße kaum Verkehr und ich genoss das entspannte Dahinrollen. Erst bei Pian di Nava querte ich eine stärker befahrene Hauptstraße. Der Ort wirkte wenig einladend und so fuhr ich ohne Pause direkt weiter auf dem Alta Via nach Osten. Der Asphalt wich wieder einer Schotterpiste und die Zivilisation wirkte wieder weit entfernt. Hinter mir in den Alpen konnte ich inzwischen große Gewitterwolken sehen, so dass ich froh war, die Route etwas abgekürzt zu haben. Die Nachmittagssonne brannte auf den Südhang hinunter, auf dem ich gerade unterwegs war und auf dem groben Untergrund kam ich nur mühsam voran, bis ich die letzten Meter zu einer kleinen Passhöhe sogar schieben musste. Doch was für ein Kontrast bot sich mir hier. Ich war zurück auf einer Asphaltstraße, hinter mir war blauer Himmel und direkt vor mir eine dichte Wolkensuppe. Entsprechend kühl wurde die kurze Abfahrt, denn nach ein paar Minuten erreichte ich das Rifugio Pian dell`Arma, wo ich wieder zelten wollte. Es war zwar noch relativ früh am Nachmittag als ich dort eintraf, doch ich entschied mich trotzdem hier zu übernachten. So hatte ich genügend Zeit meine Ausrüstung zu pflegen und mich und meine Sachen zu waschen. Erneut konnte ich neben der Hütte mein Zelt aufschlagen und zu Abend essen. Als die Tagesgäste fort waren, stellte sich heraus, dass ich der einzige Gast für die Nacht sein würde und die jungen Hüttenwirte verköstigten mich vorzüglich. War das wirklich nur eine Berghütte? Zufrieden und sehr satt konnte ich nach dem schönen Tag in meinen Schlafsack schlüpfen und eine herrlich ruhige Nacht genießen.

Etappe 3: Rifugio Pian dell`Arma - Bardineto

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tolles Frühstück

Gut erholt und ausgeschlafen kam ich in der Morgendämmerung aus meinem Zelt. Der Himmel war wieder blau und die Sonne noch nicht aufgegangen. Es war noch kühl, aber deutlich wärmer als am Vortag. Im Tal hingegen waberte eine dichte Wolkensuppe, ein Anblick der sehr herbstlich wirkte. Ich genoß noch den Sonnenaufgang und machte mich nach einem diesmal üppigen Frühstück bestens gestärkt auf die Weiterfahrt. Der Wetterbericht versprach für die kommenden Tage bestes Spätsommerwetter mit Sonne satt und ich war gespannt auf den heutigen Tag. Für ein paar Meter ging es auf einem Trail bergab, bis ich wieder auf eine Schotterstraße gelangte und entlang eines Berghangs in der Morgensonne bergauf fuhr. 

Doch nach ein paar Minuten unterbrach ein vernehmbares Bellen der berüchtigten Abruzzen-Hirtenhunde die Stille. Diese spezielle Hundezüchtung ist bekannt dafür, dass sie die ihr anvertrauten Weidetiere, meist Ziegen und Schafe, furchtlos selbst gegen Wölfe verteidigt. Schon gestern wiesen Infotafeln an den Wegen darauf hin, dass man sich ihnen nicht nähern soll, wenn sie eine Herde hüten. Inzwischen war auch das Gebimmel von Glocken zu hören, die Schafherde war also nicht weit entfernt und auf dem gegenüberliegenden Hügel kam der erste Hirtenhund in Sicht. 

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wie man sich den Hirtenhunden gegenüber nicht verhalten sollte

Ich stoppte um die Lage zu prüfen, als sich ratternd und röhrend von hinten ein alter Pickup näherte. Der Fahrer stoppte neben mir und erklärte, dass dies nicht seine Hunde seien und ich auf der Hut sein sollte, wenn ich an ihnen vorbei fahren würde. Er bedeutete mir, mich mit ein paar Steinen zu bewaffnen, sah mich ernst an und fuhr weiter. Na toll, dachte ich mir, ich allein mit ein paar Steinen gegen ein Rudel wild entschlossener und großer Hirtenhunde. Ich wartete ein paar Minuten ab, bis der Pickup um die nächste Kurve bog, an der ich die Hunde zuletzt gesehen hatte. Insgeheim hoffte ich, dass sie ihm folgen und mich dafür in Ruhe lassen würden. Die Steine lies ich jedenfalls liegen und fuhr langsam weiter. Zu meinem Glück entfernte sich das Bellen immer weiter und ich schnaufte durch, anscheinend waren die Hunde abgelenkt. Dafür wurde die Strecke jetzt richtig steil und ein paar hundert Meter später endete die Piste an einer Weggabelung. Der Alta Via wurde zu einem schmalen Wanderweg. Anfangs konnte ich immer wieder ein Stück weit fahren, doch dann wurde es zu steil und eng. Bergab durchs Unterholz schiebend erreichte ich nach einer ganzen Weile einen grasbewachsenen Sattel. Eine einladende Bank samt Tisch stand in der Sonne und so machte ich erst mal eine ausgiebige Mittagspause und trocknete mein von der Nacht noch feuchtes Zelt und meinen Schlafsack. Doch was sich da vor mir durch die vorbeiziehenden Wolken immer wieder zeigte, sah anstrengend aus. Der schmale Pfad führte schnurgerade über die nächsten steilen Bergrücken bergauf. Es half alles nichts, ich musste weiter. Unsäglich langsam schob ich das schwere Rad zum Teil mit vollem Krafteinsatz und Meter um Meter bergauf bis mir der Schweiß  in Strömen über den Rücken lief, obwohl ein kräftiger und kühler Wind vom Meer her wehte. Langsamer als ein Fußgänger kämpfte ich mich für mindestens eine Stunde voran, bis ich mal wieder gestoppt wurde. Die nächste Kuhherde tauchte aus dem Nebel auf und machte keinerlei Anstalten den Weg frei zu geben. Säugende Kühe mit ihren Kälbern und ein stattlicher Bulle standen im Zentrum der Herde, so dass ich lieber einen Umweg durch die steilen Wiesenhänge in Kauf nahm als mich mit den Kühen anzulegen. 

Irgendwann hatte ich es dann geschafft, die Herde lag hinter mir und der Trail war wieder zum Teil fahrbar. Kurz darauf zweigte der Weg steil bergab in ein Waldstück und führte um den Monte Galero herum. Ich schöpfte Hoffnung, dass ab jetzt wieder Fahren angesagt war, doch ich freute mich zu früh. Bereits nach ein paar Metern war wieder Schieben angesagt, nur diesmal steil bergab, über Stufen und Wurzeln im Wald. Die nächsten paar Kilometer um den Berg herum forderten dann noch einmal den vollen Körpereinsatz. Bis auf kurze Stücke war der Weg steinig, holprig und führte beständig steil bergauf oder bergab entlang der Bergflanke dahin. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, konnte ich ein paar hundert Meter fahren, als der Weg erneut steil bergauf führte. Es waren vielleicht 30hm, doch diese waren extrem hart, da der Weg sehr eng und durch eine Rinne in Kurven bergauf führte. Unter Aufbietung aller Kräfte kämpfte ich mich Meter um Meter mit dem beladenen Rad bergauf. Im Nachhinein wäre es vermutlich einfacher gewesen, das Gepäck und das Rad einzeln zu hinaufzutragen, aber nach jeder Biegung dachte ich, ich wäre gleich oben. Keuchend und schweißüberströmt kam ich schließlich oben an und landete zu meiner Überraschung direkt an einer Quelle mit eiskaltem Wasser! Ich war einfach nur erleichtert, denn mein Trinkwasser war mir bei der Schinderei soeben ausgegangen. Kaum saß ich neben der Quelle, als hinter mir ein junger Wanderer auf dem gleichen Weg, den ich gerade gekommen war, auftauchte. Wir kamen sogleich ins Gespräch und tauschten begeistert unsere Erlebnisse auf dem Alta Via der vergangenen Tage aus. Er war mit Zelt und Rucksack zu Fuß auf dem Alta Via unterwegs und wollte in zwei Tagen in seinem Heimatort in Finale Ligure ankommen, während ich noch etwas weiter nach Osten fahren wollte. Wir verabschiedeten uns und verabredeten uns für den Abend beim nächsten Rifugio, das er mir empfohlen hatte.

Ich füllte meine Flaschen mit dem frischen Wasser und nach einer ausgiebigen Brotzeit fuhr ich weiter. Der Weg war zwar recht ruppig, aber ab jetzt zum Glück komplett fahrbar und es ging bergab. Auf meinem Tacho standen gerade einmal 14 km und es war bereits später Nachmittag geworden. Doch der Wanderer meinte noch, bis zur Hütte seinen es vielleicht 8 km. Eine Wanderkarte hatte er nicht dabei, um mir die Lage des Rifugios zu zeigen, nur einen Zettel mit einer Handzeichnung des Alta Via. Vielleicht hätte ich an der Stelle skeptischer sein sollen, ob diese Angaben stimmen können, doch ich freute mich zu sehr über die flotte Abfahrt nach der stundenlangen Plackerei.

Die Weiterfahrt verlief wunderschön durch einen lichten Buchenwald, es ging zügig voran und ich genoss die Abendstimmung in den Bergen. Kurz vor dem Ort Bardineto folgte eine sehr steile, rutschige und staubige Abfahrt, zum Teil sogar auf einem angelegten MTB-Trail, die meine Bremsen an ihr Limit brachten. Komplett verdreckt aber grinsend landete ich schließlich an einem kleinen Bach mit einer idealen Badestelle. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Es war schon spät und noch immer hatte ich keinen Wegweiser mit dem angeblich nahen Rifugio gesehen. Also nutzte ich die Chance um mich gründlich zu waschen und deckte mich in der Ortschaft im einzigen Alimentari mit reichlich Lebensmitteln ein. Nach einem kurzen Snack vor dem Geschäft fuhr ich weiter und jetzt sah ich das erste Schild mit dem Rifugio. Es begann schon zu dämmern, als der Anstieg auf der nächsten Schotterpiste begann, so dass ich mich entschied, bei der nächsten Gelegenheit mein Zelt aufzuschlagen. Für heute hatte ich genug und im Dunkeln wollte ich nicht nach Wegen suchen müssen, denn auf meiner Navigationsapp konnte ich die Hütte noch immer nicht finden. Schon nach kurzer Zeit fand ich ein ideales Plätzchen unter einem Baum, eben und in der Nähe eines kleinen Baches. Die Zeit reichte gerade noch aus um das Zelt aufzubauen, bevor es komplett dunkel war. Ein Reh sprang noch vorbei, dann herrschte wieder Stille. Nur über mir im Baum saßen ein paar Vögel, die im Dunkeln herumpickten, so dass von Zeit zu Zeit einzelne Blätter raschelnd zu Boden schwebten. Ich lag bereits im warmen Schlafsack und wurde schläfrig, bis mir einfiel, dass nur wenige Meter neben meinem Platz etliche Wildschweinspuren  zu sehen gewesen waren. Bucheckern lagen auch zu Hauf herum, also ein gedeckter Tisch für die Tiere. So hoffte ich inständig, dass mir ein nächtlicher Besuch erspart bleiben würde.

Etappe 4: Bardineto - eine Wiese im Wald

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Auffahrt im Morgenlicht

So richtig tief war mein Schlaf diese Nacht nicht gewesen, denn zahlreiche Tiere im Wald waren recht aktiv gewesen und ständig waren Geräusche zu hören gewesen. Der Gedanke an hungrige Wildschweine die nachts auf Futtersuche umherstreifen und meine Radtaschen voller Essen sicher sehr attraktiv finden würden, ließen mich immer wieder wach werden. Mit dem allerersten Morgengrauen stand ich auf, packte meine Sachen zusammen und frühstückte noch an Ort und Stelle ausgiebig. Als es hell wurde fuhr ich bereits weiter steil bergauf. Meine gestrige Entscheidung hier zu stoppen, war richtig gewesen, denn erst nach einer längeren Auffahrt auf holprigem Untergrund fand ich das nächste Hinweisschild auf die Hütte. Sie lag ein gutes Stück abseits von meiner geplanten Route. Es ging langsam weiter bergauf, bis sich an einer Lichtung ein erster Blick ins Tal bot. Wie schon am Vortag hingen auch heute herbstliche Nebelschwaden in den Tälern, nur die Berge ragten heraus und leuchteten in der Morgensonne. Eine Quelle am Wegesrand bot eine willkommene Möglichkeit meine Flaschen aufzufüllen und ich machte eine kurze Pause. Als ich kurz darauf eine bewaldete Kuppe erreichte, kam mir eine flott pedalierende Gruppe Mountainbiker mit kleinen Rucksäcken und schicken Trailbikes entgegen. Nur ein paar Minuten später folgte eine zweite Gruppe mit MTB-Pedelecs, üppigem Federweg und fetter Bereifung. Auch sie schienen mir völlig frisch und entspannt zu sein. Es war noch früh am Morgen und die Küste war etliche Kilometer und über 1000hm entfernt. Wo kommen die alle zu so früher Stunde schon her dachte ich mir? Die Antwort folgte prompt. Mit laut röhrenden und stinkenden Motoren holperten gleich zwei Jeeps mit Touristen und mit riesigen Fahrradanhängern voller MTBs auf dem Alta Via bergauf an mir vorbei. Was für ein Irrsinn dachte ich mir, vor wenigen Minuten herrschte hier noch Ruhe und Einsamkeit, dann werden ganze Pulks von Bikern mit dem Jeep heraufgekarrt, damit sie ohne große Anstrengung wieder zu Tal rasen können. Ich warf einen Blick auf die Straßenkarte und fand die Antwort, ich näherte mich Finale Ligure, das bekannt ist als MTB-Hotspot wegen der vielen Trails zurück zur Küste. Ich fuhr zügig weiter und erreichte bald den Colle del Melogno. Hier parkten schon die nächsten Jeeps mit Anhängern, bereit um weitere Touristen bergauf zu schaukeln. Die Szenerie war ziemlich merkwürdig. Auf einem großen Parkplatz standen Touristen mit ihren MTBs und Rennrädern, daneben stand ein Jäger und häutete einen Fuchs und im Hintergrund war eine ehemalige Befestigungsanlage aus dem Ersten Weltkrieg. Ich freute mich hingegen über die geöffnete Bar neben der Passhöhe und ließ mir in der warmen Morgensonne einen Cappuccino und ein Cornetto schmecken. Doch lange verweilte ich hier nicht.

Der Trubel nahm weiter zu und so fuhr ich bald weiter. Für ein paar Kilometer gings entspannt auf Asphalt bergab, bis meine Route zurück auf eine Schotterstraße entlang der Berghänge führte. Auch hier zweigten zahlreiche Trails ins Tal ab und es begegneten mir noch etliche Biker, doch nach einer Biegung herrschte auf einmal wieder Ruhe. Offensichtlich hatte ich das Netz der Trails rund um Finale Ligure verlassen. Wunderschön verlief die Strecke leicht abschüssig durch einen Buchenwald und immer wieder gab es einen kurzen Blick zum Meer in der Ferne.

Es war schon später Nachmittag, als ich das Städtchen Altare erreichte. An dieser Stelle ist der Apennin relativ niedrig und so quetschen sich durch ein enges Tal neben der Autobahn mehrere Straßen und eine Bahnstrecke, die die Küste Liguriens mit der Poebene weiter nördlich verbinden. Eigentlich wollte ich hier nur kurz einkaufen und gleich weiterfahren, aber der Supermarkt, der laut Google hier sein sollte, existierte nicht mehr und ich brauchte etwas zu Essen. So musste ich ein paar Kilometer Umweg bis ins Zentrum von Altare auf einer stark befahrenen Bundesstraße in Kauf nehmen. Doch ich wurde belohnt. So häßlich die Industriegebiete vor Altare gewesen waren, so überraschend hübsch war das Zentrum. Ich deckte mich in ein paar kleinen Geschäften ordentlich mit Proviant ein und machte eine ausgiebige Pause. Die Stimmung in der Abendsonne war total entspannt und gefühlt war ich der einzige Tourist, der heute hier vorbei gekommen war. Doch ich musste langsam weiter, denn mein geplantes Tagesziel, das Rifugio Cascina-Miera, war noch etliche Kilometer und ein paar hundert Höhenmeter entfernt. Kaum hatte ich die Hauptstraße verlassen, liess auch der Verkehr wieder nach. In der tiefstehenden Abendsonne führte die Nebenstraße aussichtsreich über eine Höhenrücken bergauf. Als ich den Abzweig zur Hütte erreicht hatte, kam die nächste Überraschung. Das Rifugio hatte geschlossen und Wildzelten war hier ausdrücklich untersagt. So ein Mist, dachte ich mir, denn in Altare hätte es etliche Übernachtungsmöglichkeiten gegeben und die nächste Hütte oder der nächste Zeltplatz war noch eine halbe Tagesetappe entfernt. Zurück fahren wollte ich nicht und so fuhr ich noch ein paar Kilometer weiter, bis ich einen passenden Platz für mein Zelt auf einer Wiese fand. Zum Glück hatte ich noch genug Wasser dabei und war froh um den ruhigen Ort.

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Abendstimmung in den Bergen Liguriens

Es dämmerte schon, als mein Zelt gut geschützt unter einem großen Strauch stand und ich schlief entspannt ein. Bis mich in den frühen Morgenstunden ein tiefes Grunzen aus dem Schlaf riss. Ganz offensichtlich war ein Wildschwein nur wenige Meter von mir entfernt im Unterholz unterwegs. Vielleicht hatte es meine Leckereien in den Radtaschen gerochen und war hungrig? Womöglich waren auch noch weitere Artgenossen in der Nähe? Ich war jedenfalls schlagartig hellwach und überlegte, wie ich das Tier vertreiben könnte, während ich im Stockfinsteren nach meiner Stirnlampe tastete. Ich öffnete den Zelteingang, konnte aber in der Dunkelheit und dem aufgezogenen Nebel nichts erkennen. Ich rief in die Nacht hinaus, in der Hoffnung damit das Tier zu verjagen und wartete ab. Doch es geschah nichts. Noch ein Grunzer, aber näher als zuvor. Jetzt war ich alarmiert, die Lampe war bereit und mit maximaler Leuchtstufe richtete ich sie in die vermutete Richtung des Wildschweins. Das half! Ich konnte das Tier zwar nicht sehen, hörte aber wie es sich im Unterholz raschelnd und leise schnaubend entfernte. Puh, was für eine Erleichterung. Ich wartete noch ein paar Minuten ab, doch es blieb still und mein Puls beruhigte sich allmählich wieder. Es war noch zwei Stunden vor Sonnenaufgang, ich war hundemüde, doch an einen erholsamen Schlaf war nicht mehr zu denken. Mir fiel ein Bericht ein, dass in diesem Jahr in weiten Teilen Italiens die Wildschweinjagd wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt war und dass sich die Tiere seitdem extrem vermehrt hatten. Zahlreiche Wühlstellen in den Wäldern während der letzten Tage waren ein Indiz dafür, dass auch hier viele Wildschweine unterwegs waren.

Etappe 5: eine Wiese im Wald - Varazze

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Frühstückspause im Schutz einer Buche

Ich lag halb dösend, halb wach in meinem Zelt und wartete ab, bis die Morgendämmerung einsetzte, um schnellstmöglich meine Sachen zusammen zu packen. Gerade war ich mit dem Packen fertig und überlegte einen Moment, ob ich hier noch frühstücken sollte, als erneut ein Grunzen aus dem nahen Unterholz zu hören war. In Gedanken sah ich schon einen mächtigen Keiler vor mir stehen, der an meinen Proviant will. Nichts wie weg, dachte ich mir und fuhr los. Als ich kurz darauf auf der Straße auf einer Lichtung stand und es langsam heller wurde, bemerkte ich zum ersten Mal, dass sich das Wetter über Nacht geändert hatte. Nebelschwaden zogen durch und ein feiner Nieselregen begann.  Zum Denken war ich noch zu müde und unter einer großen Buche holte ich erst mal mein Frühstück nach und betrachtete die Karte mit meiner geplanten Route. Ganz offensichtlich lag der Wetterbericht erneut daneben und das angekündigte Sturmtief schickte seine Vorboten einen Tag früher voraus als vorhergesagt. Ursprünglich hätte mich die Route bald wieder weiter in die Berge hinein geführt und für die kommenden zwei Tage wäre ich viel auf Wanderwegen und in größerer Höhe unterwegs gewesen. Viel Regen und die Aussicht auf einen deutlichen Temperaturrückgang mit der nahenden Kaltfront waren für mich keine Option. Außerdem löste sich bei einem meiner Radschuhe bereits die Sohle ab. Die letzten Schiebepassagen waren wohl zu viel gewesen. So beschoss ich, dem Alta Via noch für ein paar Kilometer zu folgen, um dann auf einer querenden Asphaltstraße zur Küste in Varazze zu fahren.

Die Entscheidung war richtig gewesen, denn wenig später begann es stärker zu regnen, der Wind frischte auf und trieb dichte Wolken durch die Wälder. Mal fahrend, mal schiebend folgte ich dem Alta Via, der hier ein holpriger Wirtschaftsweg war und im Auf und Ab über einen Bergkamm verlief. Die Sicht betrug zum Teil nur 20m und es war kühl geworden, trotzdem genoss ich die fast schon mystisch wirkende Stimmung im Wald und fuhr langsam weiter. Inzwischen hatte der Regen wieder aufgehört und nach einer ganzen Weile kam der Abzweig. Ich freute mich schon auf die Abfahrt und hoffentlich etwas wärmere Temperaturen an der Küste, doch so schnell sollte es nicht gehen. Die Schotterpiste abwärts war deutlich härter als gedacht. Steil, rutschig, manchmal mit losem Schotter bedeckt, ging es mit voller Konzentration ein paar hundert Höhenmeter bergab, bis ich komplett verstaubt aus dem Wald und den Wolken herauskam und auf einer Lichtung stand. In der Ferne war schon das blaue Meer zu sehen und hinter mir hingen die dunklen Wolken an den Berghängen. 

Nichts wie weiter, dachte ich mir und erreichte bald die erste Ortschaft mit einem Brunnen, an dem ich mein Trinkwasser nachfüllen konnte und um eine kurze Pause zu machen. Flott, aber mit ein paar steilen Gegenanstiegen ging es jetzt weiter bergab Richtung Küste, bis ich in einer kleinen Ortschaft auf eine leckere Bäckerei stieß. Zu meiner Freude kam zum ersten Mal für heute die Sonne heraus und so musste ich nicht lange überlegen. Mit frischem Foccaccia, Pizza und etlichen Süßteilen in der Hand saß ich auf einer Bank und genoss die verdiente Stärkung. Als ich weiterfuhr und eine halbe Stunde später am Strand in Varazze stand, konnte ich es kaum glauben, dass ich nur fünf Tage in den Bergen unterwegs gewesen war. Durch die vielen Erlebnisse kam mir die Tour deutlich länger vor. Hinter mir war der Himmel noch immer dunkel und die Wolken türmten sich auf, während ich in der Sonne am Meer stand. Mit dem Sprung ins warme Wasser konnte ich einfach nur grinsen und mich freuen, was für ein geniales Finale von einer unvergesslichen Tour!

Fazit zur Tour und der Ausrüstung

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MTB-Hardtail mit voller Ausrüstung

Nach insgesamt fünf Tagen Bikepacking in den Seealpen und auf dem Alta Via konnte ich einen guten Eindruck von der Region gewinnen. Ich bin positiv überrascht, dass man nur wenige Kilometer von der dicht besiedelten und touristisch gut erschlossenen Küste entfernt in den Bergen so viel Ruhe und Natur finden kann. Allerdings muss man durch die Höhenlage selbst im Sommer ausreichend warme und auch wasserdichte Kleidung dabei haben, denn das Wetter kann sich hier schnell ändern und kräftige Gewitter sind keine Seltenheit. 

 

Die Strecke und mein MTB

Die Strecke ist vor allem konditionell, aber auch fahrtechnisch fordernd. Knapp die Hälfte verläuft auf Schotterwegen unterschiedlicher Qualität oder auf Wanderwegen. An etlichen Stellen hätte ich mir eine versenkbare Sattelstütze und manchmal auch breitere Reifen mit stärkerem Profil sowie bessere Bremsen gewünscht. Ein MTB-Hardtail mit breiteren Reifen (29x2,6") und versenkbarer Sattelstütze scheint mir ideal. Doch auch so, mit etwas "underbiking", sprich einem Rad das für manche technischen Passagen zu schwach ausgestattet war, hatte ich einen Heidenspaß auf der Strecke und rückblickend waren gerade die Schiebepassagen landschaftlich sehr schön gewesen. Hier hätte mein Gepäck am Rad gerne ein paar Kilogramm leichter sein dürfen und nur mit einer schlanken Satteltasche am Heck, anstelle der breiter ausladenden Gravelpacks. Zum Vergleich von Gepäckträgern fürs Bikepacking lest Ihr hier mehr. Auf einen extra Rucksack am Rücken hatte ich bewusst verzichtet, da ich es ziemlich unangenehm finde, gerade bei Hitze während der Fahrt Gepäck am Rücken zu tragen.

Ansonsten hat sich mein Rad erneut bewährt und ich war froh über die geänderte Übersetzung. Für mehr Bergtauglichkeit mit dem ganzen Gepäck habe ich meine SRAM-GX-Eagle 1x12-Schaltung vorne mit einem Kettenblatt mit nur 30 Zähnen anstelle von 32 Zähnen kombiniert. Für die langen und steilen Anstiege war das sehr angenehm. Mehr zu dem Thema Übersetzung lest Ihr hier.

Ein Ärgernis waren meine (neuen!) MTB-Radschuhe, bei denen sich zum zweiten Mal die Schuhsohle nach einer Schiebepassage ablöste. Für die Tour benötigt man auf alle Fälle Schuhe mit Profil, in denen man auch längere Zeit gut gehen kann. Zum Testbericht mit den Schuhen geht es hier.

 

Essen und Trinken.

Wenn man in seine Streckenplanung alle Berghütten mit einbezieht, dann ist es durchaus möglich mit deutlich weniger Essen im Gepäck auszukommen und damit leichter und schneller unterwegs zu sein. Die meisten Hütten bieten sogar den Luxus einer Marschverpflegung an. Man kann sich also mit belegten Broten für den kommenden Tag eindecken und muss nicht extra ins Tal fahren, um in den Geschäften einzukaufen. 

Die Einkaufsmöglichkeiten in den Bergen liegen meist relativ weit auseinander, so dass man seine Etappen entsprechend gut planen sollte. Trinkwasser war hingegen kein Problem, oft gab es Quellen oder Bäche. Ich hatte insgesamt max. drei Liter dabei, was völlig ausreichend war.

 

Übernachtung

Ich war mit Zelt, Isomatte und Schlafsack unterwegs und war sehr froh, damit in der Streckenplanung flexibler und unabhängiger von Hütten oder Unterkünften entlang der Strecke zu sein. Bei entsprechender Planung kann man auch komplett in Hütten oder Unterkünften übernachten und spart so einiges an Gepäck ein (siehe Foto unten). Allerdings sollte man dann genau vorausplanen und auch reservieren. 

Specialized Chisel Expert, Specialized Burra Burra Framepack, Bikepacking, Berghuhn, Tailfin AeroPack X, Evoc Top Tube Pack, Revelate Designs Egress Pocket
MTB-Hardtail mit leichterer Bikepacking-Ausrüstung während der Trans Bayerwald

Packliste fürs Bikepacking in den Bergen

Hier geht's zu unserer ausführlichen Packliste fürs Bikepacking mit dem MTB in den Bergen, oder seht Euch unser Video an:


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