Inzwischen kennt wohl fast jeder den Begriff des Bikepackings. Doch was macht eigentlich den besonderen Reiz dieser Art des Reisens aus? Früher konnte man schließlich auch spannende Radreisen / Radtouren unternehmen und wurde als Radler, der mit seinen Front- und Hecktaschen daherkam sofort als Reiseradler identifiziert. In den sozialen Netzwerken scheint diese Art des Reisens inzwischen als ziemlich old school abgestempelt zu sein. Bei unserer Abruzzentour im Frühjahr 2018 haben wir den direkten Vergleich beider Varianten ausprobiert und waren überrascht (siehe Video)!
Heute wollen wir Euch unsere persönlichen Gedanken zum Bikepacking, verglichen mit dem "klassischen" Biketouring, mitteilen. In erster Linie gehts uns in diesem Artikel um die passende Ausrüstung für längere Bikepackingtouren in den Bergen mit moderaten Offroadpassagen. Also viel Vergnügen bei der Lektüre!
Transparenzhinweis
Trotz einiger Markennennungen und Verlinkungen zu Herstellern in diesem Artikel handelt es sich um unbezahlte Werbung. Wir geben wie immer nur unsere persönlichen Eindrücke wieder und erhalten keine Bezahlung.
Was verstehen wir unter Bikepacking?
Beim Bikepacking geht es uns darum, eine mehrtägige (Rad-)Tour mit möglichst wenig Gepäck zu unternehmen und dabei auch draußen zu übernachten, bei zugleich möglichst viel Naturerlebnis. Im Gegensatz zum klassischen Radreisen, bewegt man sich oft auf unbefestigten Wegen, d.h. auf Sand- und Schotterwegen, Wanderwegen oder auch steilen Pfaden mit Schiebepassagen, also sehr wechselndem Untergrund. Das klassische Tourenrad mit Front- und Heckgepäckträgern sowie den entsprechenden Taschen ist dafür zu schwer, zu sperrig, oft zu breit und von den Reifen her ungeeignet. Auch wenn man Teile einer solchen Tour mit voller Beladung fahren könnte, so macht es schlicht keinen Spaß und kann zur Schinderei ausarten, siehe unser Bericht mit Video über die Abruzzen. Das Gepäck wird beim Bikepacking statt in den typischen großen Radtaschen in mehreren, deutlich kleineren Taschen und möglichst ohne Gepäckträger direkt am Rahmen verstaut.
Anders als beim Radreisen auf asphaltierten Straßen ist man (bzw. sind wir) beim Bikepacking meist langsamer unterwegs, genießt dafür aber auch Moutainbikeelemente, vor allem auf der Abfahrt, so dass auch die eigene Fahrtechnik mehr gefordert ist. Auf den üblichen Straßenverkehr mit dem Lärm und Gestank versuchen wir ebenfalls zu verzichten. So bleibt mehr Zeit die Umgebung zu genießen und die Natur zu erleben. Man übernachtet idealerweise dort, wo es einem gefällt und genießt so mehr Flexibilität als mit dem normalen Tourenrad.
Welche Fahrräder sind am besten zum Bikepacking geeignet?
Es gibt es noch weitere Varianten von Bikepacking als eben beschrieben. Wer überwiegend auf asphaltierten Nebenstraßen und nur gelegentlich auf guten, nichtasphaltierten (Forst-)Wegen unterwegs ist, der kann sein normales Rennrad verwenden und bei Bedarf breitere Reifen aufziehen. Die modernen Rennräder bieten hier dank Scheibenbremsen oft deutlich mehr Reifenfreiheit als noch vor wenigen Jahren. Üblich sind hier Reifenbreiten ab 25 bis 28 mm. Noch mehr mögliche Reifenbreiten bieten natürlich reine Gravelbikes. Sie lassen sich dank angepasster Rahmengeometrie und Übersetzung (zum Thema Übersetzung geht es hier) gerade offroad noch entspannter fahren als klassische Rennräder. Das Gepäck fällt dann eher minimalistisch aus.
Das andere Extrem wäre ein vollgefedertes MTB der Kategorie All-Mountain, bis hin zum Fatbike für lose und weiche Untergründe. Dazwischen sind alle Varianten denkbar. Einerseits ist das sehr schön, für den Einsteiger in der Materie ist es eher verwirrend. Deshalb denken wir, dass grundsätzlich jedes Rad für eine Bikepacking Tour geeignet ist. Man muss sich nur vor der Tour überlegen was man erwartet. Soll es eher eine flotte Tour mit dem Rennrad auf asphaltierten Nebenstraßen werden oder ein Alpencross auf möglichst viel Singletrails im Selbstversorgermodus?
Wir gehen in unseren Überlegungen hier auf eine Strecke durch die Berge, wie z.B. bei unserer Nice-München-Rallye ein, die zum Teil auf Asphalt und schließlich auf alten, zum Teil grobschottrigen Militärpisten aus dem 1.Weltkrieg (die Ligurische Grenzkammstrasse) im Gebirge verläuft und auch mal einen einfachen Singletrail beinhalten kann. Hier fanden wir unsere MTB-Hardtails ideal. Dank der relativ leicht laufenden Cross-Country-Bereifung kamen wir auf Asphalt zügig voran. Auf den Schotterpassagen waren die Bikes dann perfekt, die manchmal ruppigen Abfahrten mit Gepäck haben uns hingegen trotz 100 mm Federgabel gefordert. Hier kamen wir ans Limit und hätten gerne noch potentere Bikes mit grobstolligeren Reifen gefahren. Doch genau dieser Spagat macht für uns einen großen Teil des Reizes solcher Touren aus. Man muss vorab viel mehr planen als bei einer klassischen Radtour auf asphaltierten Straßen und erlebt immer Überraschungen.
Die Entscheidung welches Rad am geeignetsten ist, hängt also sehr von der geplanten Strecke und von den persönlichen Vorlieben ab. Das perfekte Rad für alle Fälle wird es jedenfalls nie geben. Eine Auswahl an Fahrrädern, die wir getestet haben, seht Ihr hier. Am Ende dieser mehrteiligen Blogserie stellen wir Euch unsere aktuellen MTB-Hardtails im Detail vor, also noch etwas Geduld!
Bleibt noch die Frage nach dem besten Material für den Rahmen. Stahl, Alu, Carbon oder gar Titan, was ist am besten? Hier lässt sich ewig diskutieren, jedes Material hat seine Berechtigung und seine Vorteile. Meist dürfte vor allem der Preis des Komplettrades eine Rolle spielen. Wir können hier keine eindeutige Empfehlung aussprechen. Je länger und fordernder eine Tour für den Mensch und das Material ist und je schlechter die mögliche Ersatzteilversorgung bei einem Defekt, desto solider und wartungsfreundlicher sollte unserer Meinung nach die Ausrüstung sein. Bei unserer Nice-München Rallye über 3 Wochen haben wir uns für zwei MTB-Hardtails mit Federgabel und einem 1x11 bzw. 1x12 Antrieb entschieden. Die Strecke verlief auf sehr unterschiedlichen Strecken, von Asphalt bis übler Schotterpiste war alles dabei und die Räder haben sich wacker geschlagen.
Man sollte sich von manchen Berichten oder Herstellerangaben jedenfalls nicht zu sehr blenden lassen. Es scheint manchmal so, als wäre nur das neueste Rad mit der aktuellsten Technik für eine Bikepackingtour geeignet. Wir finden das ist Quatsch, denn auch das klassische Tourenrad mit 26-Zoll-Bereifung und Gepäckträgern hat nach wie vor seine Berechtigung. Es kommt einfach darauf an, welche Art von Tour man machen möchte. Ob man das Ganze dann Bikepacking oder Biketouring nennt ist für uns eher eine Frage der Definition - oder handelt es sich bei der ganzen Diskussion nur um geschicktes Marketing? Viel wichtiger ist uns, dass man auf seiner eigenen Tour Spass hat!
Übernachten, Kochen, Essen, Hygiene
Übernachten
Mit dem Stichwort Übernachtung und Bikepacking wird es spannend. Meist geht Bikepacking mit Übernachtung(en) einher. Bedeutet Übernachtung jetzt das Schlafen in einer festen Unterkunft, das Zelten auf einem Campingplatz mit allem Komfort, oder muss es super-minimalistisch sein, nur im Biwaksack und unter freiem Himmel?
Wir haben schon alles ausprobiert. Beim Zelten - egal ob auf dem Zeltplatz oder nicht - lieben wir jedenfalls unser 3-Personen-Zelt (Hilleberg Anjan 3) zu zweit! Nach einigen schlaflosen Nächten durch allerlei kleine nächtliche Besucher wie z.B. Ameisen, Mücken, Heuschrecken - Clemens sprang mal eine im Schlaf ins Gesicht - oder auch Zecken, ist für uns die Entscheidung klar für das leichte Zelt gefallen. Es bietet selbst vor größeren Tieren Schutz, wie z.B. vor streunenden Hunden und man hat auch auf dem Campingplatz etwas Privatsphäre. Der Platz ist für zwei Personen selbst mit Gepäck ausreichend, es ist zuverlässig wasserdicht und steht auch bei Wind stabil. Die ultra-minimalistische Biwaksackvariante würden wir eher der Kategorie Rennen zuordnen, woran wir kein Interesse haben. Ob man jetzt auf einem Zeltplatz übernachtet oder lieber wild campt, muss jeder für sich entscheiden. Wir hatten schon super Wildzeltplätze in der Natur, mit schöner Aussicht und Ruhe, aber auch das glatte Gegenteil ist möglich. Genau wie auf jedem offiziellen Zeltplatz, von persönlich und idyllisch bis zum Massentourismus haben wir schon alles erlebt.
Hygiene
Unser zweite Gedanke betrifft die Hygiene. In diversen Foren haben wir hierzu erstaunlich wenig gelesen, daher widmen wir diesem Aspekt ein paar Zeilen. Wer nur super wenig Gepäck dabei hat, der muss bei längeren Touren automatisch Abstriche hinnehmen. Konkret heißt das, man trägt die gleiche Kleidung unter Umständen mehrere Tage, ohne dass man sie zwischendurch waschen kann. Wieviel Wechselkleidung erlaubt man sich daher mitzunehmen lautet die Frage? Wir wollen, dass wir zumindest abends in eine zweite Garnitur Kleidung schlüpfen können, wenn wir schon den ganzen Tag unterwegs waren und vielleicht nass geworden sind oder heftig geschwitzt haben. Bietet sich dann die Gelegenheit, so waschen wir natürlich unsere Sachen aus und tragen die zweite Garnitur. Außerdem versuchen wir uns auch beim Wildcamping täglich zu waschen, um zumindest den Schweiß von der Haut zu bekommen - selbst wenn es gerade mal kalt sein sollte. Die Überwindung lohnt sich, denn es schläft sich deutlich angenehmer und man friert (anschließend) weniger. Die richtige Ausrüstung ist hier hilfreich um Platz und Gewicht einzusparen. Hier geht's zu unserer Packliste für Radreisen.
Im zweiten Teil dieser Blogserie folgt dann unsere fürs Bikepacking in den Bergen optimierte Packliste!
Kochen & Essen
Logisch, man muss anständig essen, vor allem wenn man viele Kalorien verbrennt. Doch braucht es unbedingt einen Kocher? Wer kochen will, der braucht auch Brennstoff (oft Gas), einen Topf, Teller, Besteck usw.. Doch wo ist beim Bikepacking die Grenze des Sinnvollen? Es kommt wie immer darauf an, was man will und wohin man reist. In gut erschlossenen Gebieten kann man auch auf den Kocher verzichten und kalte Speisen konsumieren oder bei gutem Timing auch mal Einkehren. So spart man viel Platz und Gewicht, allerdings ist es deutlich kostspieliger. Manchmal hilft aber alles nichts und es gibt kein Restaurant, kein Geschäft und man muss sich komplett selbst versorgen und auch kochen, will man nicht tagelang nur Kaltes essen. Wir wägen daher bei der Tourenplanung im Vorfeld genau ab, was wir wollen und testen besondere Lebensmittel wie Energieriegel auf Verträglichkeit.
Unsere komplette Outdoorküche und Kochausrüstung beschreiben wir hier.
Wohin mit all dem Gepäck?
Spätestens jetzt sind wir beim entscheidenden Punkt angelangt. Wohin mit all der Ausrüstung? Jeder Reiseradler, der normalerweise mit zwei Radtaschen vorne und hinten sowie mindestens einem weiteren Seesack hinten unterwegs ist, verfügt schnell über rund 80 Liter Stauvolumen. Wieviel Platz die unterschiedlichen Taschen so bieten, findet ihr in unserer ausführlichen Übersicht hier.
Als wir das erste Mal die kleinen Bikepacking-Taschen in den Händen hielten, waren wir ziemlich ratlos und fragten uns, wie um Himmels willen soll darin unser übliches Gepäck für eine Radtour Platz finden? Und Essen soll dort auch noch hineinpassen?!
Keine Bange, es ist möglich, man muss etwas anders an die Sache herangehen und sehr rigide bei der Auswahl der Ausrüstung sein. Zur Anregung haben wir Euch unsere wichtigsten Überlegungen Checkliste zusammengestellt.
Unsere wichtigsten Tipps/Anregungen zur Auswahl der Ausrüstung:
- Küchenwaage! Kein Witz, aber wir haben unsere Ausrüstung einzeln mit der Küchenwaage gewogen. Es überrascht, wieviel Gewicht sich durch intelligente Auswahl - allein schon bei der Kleidung - einsparen lässt. Die nächsten schweren Posten sind dann Zelt, Schlafsack, Isomatte, Regenkleidung und Schuhe. Überlegt genau, wieviel Komfort und Sicherheit hier nötig ist. Ein leichter Daunenschlafsack kann z.B. selbst bei kühlen Nächten ausreichend sein, wenn man zusätzliche Kleidung trägt, die man auch tagsüber tragen kann. Statt einem zweiten Paar Schuhe reichen evtl. auch leichte Sandalen oder Flip-Flops und für die Sommertour muss es kein expeditionstaugliches 4-Jahreszeiten-Zelt sein.
- Weniger ist manchmal mehr. Wer quält sich schon gerne mit einem schweren Radl auf Schotter schiebend und ziehend bergauf? Alles was nicht absolut notwendig erscheint - weglassen! Ein erfahrener Bikepacker aus der Kategorie Ultraendurance-Racing meinte mal sinngemäß, "Wenn Du im kältesten Moment deiner Tour nicht sämtliche Kleidung am Leib trägt die Du dabei hast, dann hast Du zuviel eingepackt."
- Kochen, Vorräte. Essen ist extrem schwer, daher sollte man immer nur soviel dabei haben, wie bis zur nächsten Verpflegungsmöglichkeit nötig ist, doch wenn die geschlossen ist? Auch hier hilft gute Vorausplanung und eine Notreserve, vor allem beim Wasser.
Fazit
Das klassische Radreisen mit den typischen Taschen und Gepäckträgern sehen wir nach wie vor als eine wunderschöne Art des Reisens an. Bikepacking ist für uns eine andere, sehr spannende Variante des Radreisens, gerade weil man dabei minimalistischer und abseits der Hauptstraßen unterwegs sein kann. Selbst vor der Haustür lässt sich so etwas Abenteuerfeeling erzeugen. Wir empfehlen daher, es einfach mal auszuprobieren. Doch Vorsicht, es besteht Suchtgefahr!
Was folgt in Teil 2 unserer Bikepacking-Serie?
Im zweiten Teil der Blogserie stellen wir Euch unsere aktualisierte Bikepacking-Packliste für die Berge vor und erklären, in welchen Taschen wir welche Ausrüstung am MTB verstauen. Das finden wir sehr wichtig, denn auch wir haben anfangs Aussagen gelesen wie: "im Grunde gibt es keine falsche Art sein Gepäck auf dem Rad zu transportieren, alles ist möglich". Geholfen hat uns das für die eigene erste Bikepackingtour natürlich wenig.
Unsere Bikepacking-Packliste bezieht sich, wie bereits erwähnt, auf unsere Erfahrungen aus unserer Nice - München Rallye und einiger weiterer Touren in bergigem Gelände, die Ihr in unserer Kategorie Abenteuerliste findet.
Im dritten Teil beschreiben wir Euch unsere MTBs ausführlich und unsere Überlegungen, welches Rad wir für unsere Art der Bikepacking-Abenteuer als ideal ansehen. Seid also gespannt auf die Fortsetzung!
Fragen, Wünsche, Anregungen?
Ihr habt noch Fragen? Schreibt uns wie immer eine Mail an team@berghuhn.de